Aktienmärkte 2024: Zinsen, Inflation, Wachstum
Das erste Quartal ist für Aktienanleger gut gelaufen. Die hartnäckige Inflation sorgt aber für Verunsicherung. Was wird die Aktienmärkte 2024 prägen? Zinsen, Inflation, Wachstum: Überlegungen für ein moderates Inflationsszenario.
Überblick Aktienmärkte 2024
Spätestens, als am Mittwoch die US-Inflationsdaten herauskamen, dürfte vielen Anlegern klar geworden sein, dass der Februar kein Ausrutscher war und sie ihr Marktszenario für 2024 getrost in die Tonne treten können. Die Inflation in den USA zeigte sich erneut hartnäckig. Sie ist im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,5 Prozent gestiegen; gegenüber Februar war es ein Anstieg um 0,3 Punkte. Erwartet worden war laut FactSet 3,4 Prozent. Die Kerninflation, die Energie- und Nahrungsmittelpreise außen vor lässt, erhöhte sich um 3,8 Prozent, ebenfalls höher als die Erwartungen der Volkswirte von 3,7 Prozent.
Die unmittelbare Reaktion: Die Aktienmärkte sackten ab, die Anleihenrenditen stiegen, und der Dollar schnellte gegenüber dem Euro in die Höhe. Die US-Konjunktur brummt und brummt und brummt. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass im März gut 300.000 Stellen besetzt wurden. Damit verharrt die Arbeitslosenrate weiter bei unter vier Prozent. Die von Anlegern erhofften Zinssenkungen in den USA rücken in immer weitere Ferne. Inzwischen decken sich die Erwartungen von Investoren mit den Projektionen der Fed (Dot Plot). Es werden wohl eher ein bis zwei Zinssenkungen werden, und die erste dürfte nicht mehr in den Juni fallen.
Demgegenüber sieht es in der Eurozone konjunkturell eher düster aus. Hier sinkt die Inflation. Die Erwartungen für eine Zinssenkung im Juni sind daher realistisch, zumal sich die Teuerung in Deutschland im März mit 2,2 Prozent auf dem niedrigsten Niveau in knapp drei Jahren befindet. Die führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland rechnen für das Frühjahr 2025 nur noch mit einem Leitzins von 2,15 Prozent. Er liegt aktuell bei 4,5 Prozent.
Wir wollen vor dem Hintergrund der Performance des ersten Quartals schauen, wie sich das Szenario einer hartnäckigen Inflation auf die weitere Performance der wichtigsten Aktienmärkte 2024 und Asset-Klassen auswirken könnte.
Im ersten Quartal waren Aktien Trumpf, und das könnte sich in der nächsten Zeit fortsetzen. Halten wir zunächst fest, dass der MSCI World Aktien-Index im ersten Quartal um 8,9 Prozent zugelegt hat. Weit vorn war der Aktienmarkt Japans. Der Nikkei legte um gut 21 Prozent zu, der S&P 500 und der DAX legten in den ersten drei Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Beide stiegen um gut 13 Prozent. Ein ungewohntes Bild: Der deutsche Leitindex ließ den Nasdaq 100 hinter sich, der nur um 8,7 Prozent zulegte. Allerdings relativiert sich dieses Bild, wenn man die Währungsentwicklung berücksichtigt. Wegen des starken Dollar schoben sich US-Aktien-Indizes aber doch noch vor den DAX. Dagegen fiel die Performance des japanischen Markts angesichts der Yen-Schwäche aus Sicht von Euro-Anlegern bescheidener aus, wie die untere Tabelle zeigt.
Geht man davon aus, dass die US-Inflation hartnäckig bleibt, die amerikanische Konjunktur weiter Stärke zeigt und die Eurozone schwächelt, dann könnten US-Aktien die großen Gewinner sein. Ungeachtet des ersten Schocks nach den März-Inflationsdaten, die Kursverluste bei US-Aktien brachten, ist eine starke Konjunktur gut für Aktien. Für Euro-Anleger würde ein starker Dollar der US-Aktien-Performance – wie auch im ersten Quartal – einen weiteren Schub bedeuten.
Dass die EZB vor der Fed anfangen wird, die Zinsen zu senken, erscheint wahrscheinlich. Auch wenn Stimmen warnen, dass ein zu schwacher Euro die Inflation hierzulande wieder anheizen könnte, hat die EZB ein klares Mandat für die Wahrung der Preisstabilität. Dieses Ziel ist angesichts einer Inflationsrate von nur noch 2,4 Prozent erreichbar. Einziger potenzieller Schönheitsfehler ist die relativ hohe Kerninflation, die bei über 3 Prozent verharrt.
Profitieren wirklich alle Aktienmärkte 2024 im Inflationsszenario?
Eher nicht. Anleger dürften in diesem Jahr sogar selektiver vorgehen als im vierten Quartal in der „Everything Rally“. Je stärker die geldpolitische und konjunkturelle Schere zwischen den USA und Europa auseinander geht, desto besser dürfte es für US-Aktien aussehen. Auch die Underperformance bei Emerging Markets könnte sich im weiteren Jahresverlauf fortsetzen. Für europäische und auch Schwellenländer-Aktien sprechen allerdings die Bewertungen, die inzwischen relativ zu den USA historisch niedrig sind. Für Europa ist der traditionell hohe Bewertungsabschlag heute in den meisten Branchen niedriger als je zuvor in diesem Jahrtausend, wie JPMorgan Asset Management ermittelt hat.
Wie sieht es beim Trade Standardwerte kontra Nebenwerte aus?
Die Inflation in den USA dürfte erneut die Standardwerte gegenüber Nebenwerten bevorteilen. Der Russell 2000 hatte in der „Everything Rally“ im vierten Quartal 2023 im Angesicht der Zinssenkungs-Euphorie um sensationelle 13,9 Prozent zugelegt. Im ersten Quartal lag das Plus nur noch bei gut fünf Prozent – gerade einmal halb so viel wie der S&P 500. Ähnlich liefen die Aktienmärkte 2024 bisher in Europa.
Doch in diesem Jahr wird Differenzierung angesagt sein: Senkt die EZB die Zinsen, sieht es für europäische Nebenwerte strukturell besser aus als für ihre US-Pendants.
Magnificent Seven und kein Ende, also?
Nicht unbedingt. Von den fabulösen Sieben könnten ein paar arg gerupft werden. Tesla etwa hat in diesem Jahr 30 Prozent seines Werts eingebüßt. Außerdem zählen auch die großen Banken aktuell zu den Gewinnern, wie auch Energiewerte. In dem Szenario einer eher moderaten Inflation wäre also die Hausse schon breiter als die sehr einseitige Marktentwicklung 2023, als die Dominanz der Magnificent Seven ziemlich krass war. Das Beispiel der Mag Seven zeigt, wie wenig hilfreich statische Akronym-getriebene Investments sind (sorry, Goldman!): Meine These ist, dass der Magnificent-Seven-Trade für den Run auf Qualitäts-Aktien stand.
Dass es nicht immer die Mag7 richten werden, zeigt auch der Blick nach Europa. Im Umfeld sinkender Zinsen könnten auch die europäischen Growth-Aktien aus den Branchen Luxuskonsum profitieren. Der Meister aller Akronyme, Goldman Sachs, hatte bereits im Jahr 2020 unseren Wortschatz um die „Granolas“ bereichert. (GSK, Roche, ASML, Nestlé, Novartis, Novo Nordisk, L Òreal, LVMH, AstraZeneca, SAP und Sanofi). Der gemeinsame Nenner lautet hier: starke Bilanzen, hohe Gewinne, Dividenden-Stärke. Die europäischen Growth-Champions sind also auch in den hiesigen Quality-Portfolios hoch gewichtet.
Aber weil die KI auch weiter der Star der Manege ist, sollten Anleger nicht ausschließen, dass einige der fabelhaften Sieben von der fortlaufenden AI-Euphorie profitieren werden: Erst vor wenigen Tagen haben Meta und OpenAI weitere Fortschritte bei der Entwicklung generativer AI-Systeme gemeldet. Nvidia, Meta und Microsoft könnten also auch 2024 reüssieren.
Und was ist mit den Asset-Klassen Anleihen, Rohstoffen und Cash?
Genau diese Asset-Klassen zeigen, dass die konjunkturelle Lage fragiler ist, als es die Aktien-Schlagzeilen vermuten lassen. Es fängt an mit dem hervorragenden Quartal für Gold und andere Rohstoffe, vor allem Energie. Gold gilt als Krisenwährung, und dass der Ölpreis zulegt, geht weniger auf positive Ausblicke für die Weltwirtschaft zurück als vielmehr auf die Krise in Nahost und die erfolgreichen Angriffe der Ukraine auf die russische Energie-Infrastruktur. Das macht Anleger nervös.
Anleihen hatten kein gutes erstes Quartal. Nach dem kräftigen Renditerückgang im vierten Quartal wurden viele Anleger von der beharrlichen Teuerung 2024 auf dem falschen Fuß erwischt. Der REXP verlor gut 1,1 Prozent zwischen Januar und März. Annualisiert betrachtet ist das für Bonds eine mittelschwere Korrektur. So gesehen war das sensationelle Plus von 4,4 Prozent beim REXP im vierten Quartal 2023 eine Aberratio: Seit Beginn des vierten Quartals 2020 sind die Kurse von Bundesanleihen stetig im Sinkflug – unterbrochen nur vom Plus im vierten Quartal 2023 und einer leichten Erholung im ersten Quartal 2023.
Auch bei Anleihen wird es sich lohnen, differenziert vorzugehen. Dass nach Bekanntgabe der US-Inflationsdaten die Renditen dies- und jenseits des Atlantiks nach oben sprangen, unterstellt, dass es einen synchronen strukturellen Druck auf die Renditen gibt. Aber das ist für Europa nicht der Fall. Euro-Anleihen sind aktuell deutlich attraktiver als US-Papiere, da letztere zu Recht unter der hartnäckigen Inflation leiden, erstere aber eher vom Inflationsrückgang profitieren dürften.
Euro-Bond-Investoren können sich also trösten: Die Kursverluste von heute sind die Renditen von morgen. Und da Euro-Anleger wenig mit dem US-Rentenmarkt gemein haben, ist der US-Bond-Markt, zumindest, was Treasuries anbelangt, nicht von großer Bedeutung für hiesige Anleger. Lockert die EZB die Zinsschraube, könnten REXP und Co in diesem Jahr reüssieren, derweil die Renditen bei Treasuries weiter hoch bleiben – Beobachter wie Larry Summers schließen für die USA sogar Zinserhöhungen nicht mehr aus. Bei Bonds ließe sich also die These aufstellen: Europa, du hast es besser.
Disclaimer
Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Dieser Beitrag erschien zuerst auf: https://thedlf.de/aktienmaerkte-2024-zinsen-inflation-wachstum/
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