Ein informativer Blick auf die vergangenen Ereignisse
Zwei US-Regionalbanken und die Credit Suisse sind umgekippt. Künden diese Bankenpleiten schon einen systemischen Meltdown an?
Eine Rekonstruktion der Ereignisse.
Seit März 2022 ist der Leitzins in den USA von null auf die Spanne von 4,75-5 Prozent angehoben worden. Die Zinserhöhung in Rekordgeschwindigkeit hatte schon letztes Jahr zu Verwerfungen an den Kapitalmärkten geführt. Die Krise der UK-Pensionsfonds im Oktober 2022 kam wie aus dem Nichts. Durch die Intervention der Bank of England wurde der Schaden aber minimiert. Verheerender war die Wirkung der Zinssteigerung auf hoch bewertete Wachstumsunternehmen. 2022 sind Highgrowh-Titel und die Aktien der meisten Digitalunternehmen gecrasht. Große Unternehmenspleiten sind noch ausgeblieben. Bisher ist es für viele Unternehmen nur eine Bewertungskorrektur. Manche Geschäftsmodelle funktionieren aber nicht mehr. Bei Fintechs wie Upstart, die Kredite online vermitteln, hatten sich viele Marktteilnehmer auf die Nachfrage fokussiert und dabei übersehen, dass keiner mehr diese Kredite finanzieren wollte. Die großen Gewinner, so schien es: Banken. Doch mit dem Zusammenbruch von SVB, Signature Bank und Credit Suisse sind Banken plötzlich wieder zu den Sorgenkindern der Börse geworden. Bankenpleiten sind oft systemisch und treffen nahezu jeden.
Bankaktien im Vergleich: Euro Stoxx Banken, US-Banken, US-Regionalbanken:
Der schnellste Bankrun der Geschichte
In Ernest Hemingways „The Sun Also Rises” heißt es in einem vielzitierten Dialog: “How did you go bankrupt? Two ways. Gradually, then suddenly.” Das trifft auf den Untergang der Credit Suisse zu. Doch die Pleiten der SVB und der Signature Bank passierten in einer atemberaubenden Geschwindigkeit.
Die Silicon Valley Bank (SVB) hatte bis Mitte 2022 ein florierendes Bankgeschäft. Start-ups, VC und deren Gründer waren die Hauptkunden auf der Kreditseite und auf der Einlagenseite. Doch bevor die Zinsen im Frühjahr 2022 angehoben wurden, investierte SVB einen Großteil ihrer Assets in langlaufende Anleihen. Ende 2022 hielt SVB Assets, die als „Held To Maturity“ (HTM) klassifiziert waren, in Höhe von 91 Milliarden Dollar. Diese waren in Anleihen höchster Bonität investiert mit einem Zinssatz von gerade mal 1,63 Prozent. 90 Prozent dieser Anleihen hatten eine Laufzeit von über 10 Jahren. Zudem waren 26 Milliarden Assets als „Available For Sales“ (AFS) klassifiziert mit einer Laufzeit von 3,6 Jahren. Die 74 Milliarden Kredite brachten gerade mal im Schnitt 4 Prozent Zinsen. Bis Mitte 2022 musste man aber wenigstens die Einlagen nicht verzinsen. Das änderte sich mit den Zinserhöhungen. Anfang 2023 stiegen Einlagenzinsen über 4 Prozent und lagen somit über den Kreditzinsen, während die Assets massive Buchverluste auswiesen. In der zweiten Jahreshälfte 2022 und im Januar und Februar 2023 zogen Kunden immer mehr Einlagen ab. SVB musste nun die AFS-Assets zu Marktpreisen – aufgrund der gestiegenen Zinsen mit großem Verlust – verkaufen, um die Kunden bedienen zu können. Um sich zu rekapitalisieren, wurde parallel eine Kapitalerhöhung angekündigt. Dazu kam es bekanntlich nicht mehr. Als bekannt wurde, dass SVB die Liquidität fehlt, dass die HTM-Assets massive Buchverluste aufwiesen, dass die Risiken nicht abgesichert waren und dass knapp 94 Prozent der Einlagen von der US-Einlagensicherung nicht geschützt waren, kam es zum schnellsten Bankrun der US-Geschichte. Innerhalb eines Tages zogen Kunden 48 Milliarden Dollar ab. Bei der hohen Konzentration der Kunden, die zudem alle im gleichen Soziotop leben und miteinander vernetzt sind, reichte es aus, dass einige VC-Fonds wie Founders Fund und Y Combinator ihre Portfoliounternehmen dazu aufriefen, Gelder abzuziehen. Im digitalen Zeitalter, in dem Geschwindigkeit Trumpf ist, kann eine Bank im Nu von panischen Kunden überrollt werden. Auch das ist eine Lehre aus der aktuellen Krise.
Am 10. März schlossen US-Regulierer SVB und am gleichen Wochenende auch die Signature Bank. Die Aktien beider Institute wurden über Nacht wertlos. Damit wurden wir Zeitzeugen der zweit- und drittgrößten Bankenpleite der US-Geschichte. Die Abwicklung der Bank übernahm der US-Einlagensicherungsfonds FDIC. Um weitere Bankruns zu vermeiden, stellte die US-Finanzministerin klar, dass alle Bankeinlagen bei diesen zwei Instituten geschützt sind. Zugleich stellte die FED ausreichend Liquidität über zwei Programme zur Verfügung: Für kurzfristigen Kapitalbedarf (90 Tage) das bereits etablierte Discount Window (vergleichbar mit der Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB) und für Liquidität bis zu einem Jahr das neue Bank Term Funding Program (BTFP), das Banken ermöglicht, Staats- und Agenturpapiere zu hinterlegen und trotz Buchverlusten sich zum Nennwert zu verschulden.
In der Woche darauf erfasste dennoch Panik die Märkte. Ein Hauch 2008 lag über den Börsen weltweit. Regulierer, Zentralbanken und Politiker versuchten Anleger und Bankkunden zu beschwichtigen. Zu idiosynkratisch seien die Probleme der SVB und der Signature Bank. Die Credit Suisse überlebte dennoch nur noch eine Woche. Am Wochenende nach den US-Bankpleiten verkündete das Schweizer Finanzministerium und die Finanzmarktaufsicht FINMA den Notverkauf der 160 Jahre alten Bank an die UBS für läppische 3 Milliarden Euro. So schlecht es der Credit Suisse zuletzt ging, m.E. hätte sie eine Überlebenschance gehabt, hätte es da nicht die Vorfälle in den USA gegeben. Die Panik wurde anschließend ausgerechnet von einem verheerenden Interview des größten Aktionärs befeuert.
Das Asset- und Wealthmanagement sind eigentlich kapitalarme Geschäftseinheiten, und für das Investmentbanking hatte man bereits eine brauchbare Lösung präsentiert.
Die Aktionäre wurden mit ca. 40 Prozent des Schlusskurses abgefunden. Zur Verwunderung aller wurden Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) nach einer Änderung des Gesetzes über Nacht komplett abgeschrieben.
Auf den ersten Blick haben SVB, Signature Bank und Credit Suisse wenig gemeinsam. Doch es gibt sie natürlich. Alle drei Banken haben ein kleines Retailgeschäft und weisen , somit hohe Konzentrationsrisiken auf der Kundenseite auf. Auch bei der Signature Bank lag der Anteil der ungesicherten Einlagen bei über 89 Prozent. Somit waren die beiden US-Banken aber auch die CS mit dem großen Wealthmanagement-Geschäft international und dem kleinen Retailgeschäft in der Schweiz anfällig für Bankruns.
Disclaimer: Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar.