Wechsel im Covid-Regime: Kommt jetzt der Wiederaufstieg von China Aktien?

Anleger sind erleichtert. Im Zuge der Aufweichung der Anti-Covid-Maßnahmen kam es in den vergangenen Wochen zu einer regelrechten Hausse bei China Aktien. Von China und Hongkong bis hin zu den chinesischen ADRs an NASDAQ und NYSE. Wir schauen uns heute an, was die Ursachen sind und, viel wichtiger noch, ob der Trend nachhaltig ist.

Was geschieht mit Zero-Covid? Zwei Schritte vor, einer zurück!

Covid hält China jetzt schon fast drei Jahre in Schach. Dass es nun mit der Aufweichung der Zero-Covid Politik so schnell ging, hat viele überrascht. Dass der Status quo nicht nachhaltig war, haben die landesweiten Demonstrationen Ende November gezeigt. Der frühere Dozent der Tsinghua-Universität, Wu Qiang, nannte sie „den größten Widerstandsakt in China seit den Tiananmen-Demonstrationen 1989“.

Daten der japanischen Investmentbank Nomura zeigen, dass Ende November rund 512 Millionen Menschen in 68 chinesischen Städten von Lockdowns unterschiedlicher Schwere betroffen waren, was fast 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes ausmacht.

Chinas Covid Zarin, Sun Chunlan, saß wenige Tage nach dem Ende der Unruhen am letzten Mittwoch (30. November) an einem Konferenztisch während einer Sitzung der Nationalen Gesundheitskommission, umgeben von Gesundheitsexperten, die Masken trugen und sagte einen folgenschweren Satz:

„Mit der Schwächung der Pathogenität von Omicron, der Popularität von Impfungen [und] der Anhäufung von Erfahrungen in Prävention und Bekämpfung steht China vor einer neuen Situation und neuen Aufgaben“.

Tatsächlich folgten ihren Bemerkungen relativ schnell Berichte, dass die lokalen Behörden Massentests zurückfahren und zumindest einigen Infizierten erlauben würden, sich zu Hause zu isolieren, anstatt wie zuvor in provisorische Krankenhäuser – sogenannte Fangcang 方舱 – abtransportiert zu werden. Dies stand im starken Kontrast zu den Lockerungsbemühungen nur wenige Wochen zuvor. Damals erschienen die neuen gelockerten Covid-Bestimmungen mit dem vielsagenden Namen “Die 20 Bestimmungen” (二十条 èrshí tiáo). Diese aber wurden fast zeitgleich wegen der stark steigenden Covid-Zahlen wieder auf Eis gelegt. Zwei Schritte vorwärts, einer zurück.

Aber dieses Mal hatte der Wind sich so schnell gedreht, dass die Beamten auf Provinzebene zunächst gar nicht wussten, wie sie reagieren sollten. In einem Artikel von Caixin wird dargestellt, wie die Regierung von Guangzhou noch am Morgen des 30. November weitere Bemühungen zur Eliminierung des Virus unter Zero-Covid diskutierte. Auch bisher ist es noch so, dass die Umsetzung der neuen Regeln landesweit sehr unterschiedlich vonstatten geht.

Gleichzeitig haben sich aber die grundlegenden Faktoren, die China gezwungen haben, so lange die Zero-Covid beizubehalten, nicht geändert. In erster Linie wird die Politik aus Sicht der Regierung eng mit Präsident Xi Jinping identifiziert, was einen übereilten Wechsel unangenehm macht. Denn die Partei hat bekanntermaßen immer Recht.

Und anders als mittlerweile in Europa und den USA stehen die Menschen in China nach drei Jahren Propaganda und Angstmache dem Virus äußerst skeptisch gegenüber. Letzten Monat starb beispielsweise eine 32-jährige Frau in Guangzhou, die positiv getestet wurde, durch Selbstmord, nachdem sie zu einem Fangcang geschickt worden war. Laut lokalen Berichten zu folge hatte sie Angst vor dem Virus und befürchtete außerdem, wegen ihrer Ansteckung stigmatisiert zu werden.

Änderungen in offiziellen Verlautbarungen scheinen jetzt darauf abzuzielen, die Bürger zu beruhigen, um den Grundstein für eine Rückkehr zur Normalität zu legen. Beijing News (新京报 xīn jīng bào), eine mit der lokalen Regierung verbundene Zeitung, veröffentlichte letzte Woche eine 5.500 Wörter umfassende Geschichte voller Interviews mit Menschen, die sich mit dem Virus infiziert und sich erholt hatten. Die Geschichte ging sofort viral auf Weibo, Chinas Twitter.

Und letztlich bleibt die Frage, wie mit den Älteren über 60 Jahre umzugehen sei. Denn ein Grund, warum die Behörden so besorgt sind, ist Chinas mittelmäßige Impfrate bei den am stärksten gefährdeten Senioren. Während mehr als 90 Prozent der 1,4 Milliarden Menschen des Landes doppelt geimpft sind, haben nur etwa 40 Prozent der über 80-Jährigen Auffrischungsimpfungen erhalten.

Schätzungen darüber, wie viele Menschen bei einer vollständigen Wiedereröffnung sterben könnten, reichen von 1,3 Millionen bis 2 Millionen. Während des ersten Medienbriefings des Gemeinsamen Präventions- und Kontrollmechanismus des Staatsrates nach den Protesten am Wochenende sagten die Behörden, sie würden sich bemühen, die Raten für unzureichend geimpfte ältere Menschen zu erhöhen und für noch mehr und bessere Aufklärung zu sorgen. Wie das genau erreicht werden soll, ist derzeit aber noch unklar, denn ein Impfmandat soll angeblich nicht bemüht werden.

Allgegenwärtige PCR-Testkabinen werden bereits in einigen Städten nach und nach abgebaut. Peking hat Anfang Dezember bekannt gegeben, dass ab sofort kein negativer PCR-Test mehr vorgelegt werden muss für den Besuch von Supermärkten, Shopping Malls und anderen öffentlichen Einrichtungen. Dies gilt aber nicht für Restaurants, Bars und KTVs. Einheitlich sind die lokalen Regionen keineswegs und führen hier und dort zu Verwirrungen. Die chinesische Zeitung “Economic Observer” publizierte heute einen viel beachteten Artikel mit dem Namen: „Raten Sie mal, raten Sie noch mal und jetzt raten Sie noch einmal”, in dem der Autor sich seinen Frust von der Seele schreibt, weil er ganz offensichtlich keinen Sinn in dem Hin und Her der jüngsten Bekanntmachungen und dem Wirrwarr zwischen den verschiedenen Regionen entdecken kann.

Gegenwärtig nimmt die Zahl der täglichen Infektionen wieder ab, was aber auch daran liegen könnte, dass vielerorts die PCR-Tests eingestellt worden sind und so weniger Fälle erfasst werden. China könnte die Krankheit bereits im Januar auf die weniger strenge Kategorie B von der derzeitigen obersten Kategorie A der Infektionskrankheiten herabstufen. Kategorie A umfasst Krankheiten wie Beulenpest und Cholera, während Kategorie B Krankheiten wie SARS, AIDS und Anthrax beinhaltet.

Reaktion der Märkte

Die chinesischen Märkte sind Anfang des Monats in die Höhe geschnellt und setzten damit einen beeindruckenden Höhepunkt seit Beginn der Kurserholung im November. Nachdem die oben beschriebenen Virusbeschränkungen in den Großstädten gelockert wurden und die Infektionszahlen von ihren Rekordwerten zurückgegangen sind, verspüren Anleger offenbar so etwas wie Frühlingsluft.

Die wichtigsten Indizes in Hongkong machten einen Sprung. Der Hang Seng Tech Index stieg am Montag um 9,25 Prozent. Der Hang Seng China Enterprises Index kletterte um 5,26 Prozent, während der breiter gefasste Hang Seng Index um 4,55 Prozent zulegte.

Damit setzte sich eine fast unbemerkte Erholung von China Aktien fort. Der Nasdaq Golden Dragon China Index, der 65 in den USA notierte chinesische Aktien repräsentiert, stieg in der letzten Woche allein um 22 Prozent und schloss am Freitag zum ersten Mal seit Juni 2021 über seinem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt. Der November war für den Golden Dragon mit 42 Prozent Wertzuwachs der beste Monat in seiner Geschichte. Der Kraneshare CSI China Internet ETF (KWEB) legte gar um 47 Prozent im November zu.

Ping An Healthcare führte den Anstieg des Tech-Index an und kletterte um mehr als 30 Prozent. Der chinesische Elektrofahrzeughersteller Xpeng, die Videoplattform Bilibili, der Softwareentwickler Ming Yuan Cloud und Alibaba Healthcare Information and Technology wurden alle mit einem Plus von mindestens 20 Prozent gehandelt. Die Xpeng Aktie, ebenfalls ein Portfoliowert des China Digital Leaders, hat in der letzten Woche um 70 Prozent zugelegt, Bilibili gar um 79 Prozent. Für die letzten fünf Handelstage konnte Portfoliowert GDS Holding am Montagabend einen Anstieg von 52 Prozent verzeichnen.

Auch die angeschlagenen Aktien der Casinobetreiber in Macau kamen in den Genuss eines kräftigen Aufschwungs, wobei die brandneuen Lizenzen für die sechs großen Player sicher nicht geschadet haben. MGM China stieg um mehr als 20 Prozent, Wynn Macau und Melco International beendeten den Tag mit einem Plus von 15 Prozent und Sands China legte um 14 Prozent zu.

Die Märkte auf dem Festland schlossen am Montag ebenfalls höher. Der SSE Composite Index, der die Aktien von Shanghai abbildet, kletterte um 1,65 Prozent, während der CSI 300 mit einem Plus von 1,96 Prozent schloss. Der SZSE Composite Index von Shenzhen schloss 0,88 Prozent höher. Ausländische Anleger kauften am Montag über den Northbound Stock Connect für netto 5,89 Milliarden Yuan (850 Millionen Dollar) Festlandaktien.

Die Strategen von Morgan Stanley haben ihre seit Januar 2021 gehaltene “equal weight” Position für China auf “overweight” angehoben. Das ganze ist natürlich immer mit der Warnung versehen, dass der Weg der Wiedereröffnung sehr holprig werden wird.

Guosen Securities 国信证券, ein großer staatseigener chinesischer Broker hat diese Woche einen Bericht veröffentlicht, in dem sie sich mit den jüngsten Aktienrückkäufen in Hongkong gelisteter chinesischer Unternehmen im Monat November auseinandersetzen. Denn diese haben mittlerweile ein historisches Hoch erreicht. Tencent und Versicherungsriese AIA führen die Liste an mit Rückkäufen in Höhe von 3,45 Milliarden HK Dollar (440 Millionen Dollar) und 3,4 Milliarden HK Dollar (437 Millionen Dollar). Mit Daten, die bis 2005 zurückreichen, wird gezeigt, dass der Höchststand der Rückkäufe historisch immer einen Monat dem jeweiligen Tiefststand der Aktienkurse erfolgt, sprich Ende Oktober.

Eine weitere entscheidende Frage ist, ob die Wiedereröffnung auch Chinas brachliegenden Wohnungsmarkt ankurbeln wird. Die Regierung hat klar zum Ausdruck gebracht, die politische Unterstützung für den Sektor verstärken zu wollen. Der Markt hat das heute deutlich honoriert.

Insbesondere soll es den finanziell stärkeren Bauunternehmen erleichtert werden, Geld von Banken zu leihen und Finanzmittel auf den Anleihe- und Aktienmärkten zu beschaffen. Das könnte die Liquiditätskrise lindern, mit der derzeit selbst die besten Akteure der Branche konfrontiert sind. Fraglich ist aber, inwieweit dies den Wohnungskauf ankurbeln kann. Die Abkehr von Zero-Covid wird helfen, aber es ist noch zu früh zu sagen, ob es ausreichen wird, damit der Immobilienmarkt wirklich Fuß fasst.

Fazit: Kein Halten, wenn das Sentiment stimmt

Es bleibt dabei: Das Sentiment am Markt hat sich spürbar gedreht. Anfang des Monats hat Caixin seine PMI Werte vorgelegt. Diese fielen auf ein Sechs-Monats-Tief. Und dennoch hat der Markt nicht negativ darauf reagiert.

Heute tritt das Politbüro zusammen, was uns weitere Hinweise auf die Wirtschaftspolitik liefern könnte. Chinas Richtung einer schrittweisen Wiedereröffnung ist klar, aber die Zahl der Covid-Fälle wird zunehmen. Der Markt wird volatil bleiben. Für diejenigen Anleger, die mit diesem Umfeld umgehen können, werden sich attraktive Opportunitäten bei China Aktien bieten.

Disclaimer:

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar.

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