Aufgabe der Bundesfinanzaufsicht mit ihren 3000 Mitarbeitern ist es unter anderem, Banken zu überwachen und sicherstellen, dass die mehr als tausend Geldinstitute in Deutschland jederzeit zahlungsfähig bleiben, Geldwäsche zu verhindern und seit 2015 auch explizit Verbraucher vor dubiosen Anlagefirmen zu schützen. Hierfür erhält sie beträchtliche Personal- und Geldmittel per Umlage aus der Finanzdienstleistungsindustrie aber auch vom Steuerzahler. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Bundesfinanzaufsicht war in den letzten 10 Jahren in wohl keinen Anlegerskandal nicht verwickelt.
Die Rolle der BaFin in den vergangenen großen Anlagebetrugsfällen, dem Containervertrieb P&R und dem Goldvertrieb PIM Gold, ist jeweils die gleiche: Ungereimtheiten tauchen auf, die BaFin prüft und – nichts passiert.
Anders ist das beim mittlerweile größten deutschen Betrugsfall Wirecard: Vor dem aufgedeckten Wirecard-Skandal haben BaFin-Mitarbeiter massiv mit Aktien des Zahlungsdienstleisters gehandelt. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums machten 85 BaFin-Mitarbeiter knapp 500 private Aktiendeals mit Wirecard.
BaFin: Eine nicht richtig kontrollierte Behörde ?
Die europäische Marktaufsicht Esma hatte zuletzt die Rolle der BaFin im Milliardenskandal überprüft und listete auf 189 Seiten auf, was bei der BaFin alles schieflaufe. Von Ineffizienz über mangelhafte Kontrollsysteme bis hin zu zu starker Politiknähe war alles dabei.
Das ironische daran: Zwar war die BaFin an jedem Betrugsskandal beteiligt, wies jedoch immer die Verantwortung dafür weit von sich.
Die Anlegerschutzkanzlei Tilp hat die Finanzaufsicht BaFin verklagt: wegen Amtsmissbrauchs im Fall Wirecard.
Die Tübinger Kanzlei teilte im Mai 2020 mit, dass sie Klage gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Schadensersatz am Landgericht Frankfurt eingereicht hat. Aus Sicht der Kanzlei Tilp hat die Finanzaufsicht “zumindest leichtfertig” ihre gesetzlichen Pflichten zur Aufklärung von Marktmanipulationen und zur vollständigen Information der Öffentlichkeit verletzt. Sollte das Landgericht dem folgen, würde die Bafin gem. § 839 BGB für die Verletzung ihrer Amtspflichten haften. Danach müssen Beamte, die vorsätzlich oder fahrlässig ihre Amtspflicht verletzen, die ihnen einem Dritten gegenüber obliegt, den daraus entstehenden Schaden ersetzen. Weiterhin hat die Kanzlei TILP einen Antrag auf Durchführung des neuen KapMuG-Verfahrens gestellt. Nach diesem neuartigen Verfahren, welches die Kanzlei TILP selbst mitgeschaffen hat, kann eine Musterklage zum Vorteil aller Geschädigten geführt werden.
Behörden übernehmen in der Regel keine Verantwortung
Dies wird ein langer und steiniger Weg für Tilp. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeigt, dass Behörden in der Regel keine Verantwortung für ihre Fehler übernehmen. Die Gerichte und Geschädigten müssen dies meist zähneknirschend hinnehmen. Nach der “festen Überzeugung” der Kanzlei Tilp haftet die BaFin im vorliegenden Fall zumindest für alle Erwerbe von Wirecard-Aktien, der Wirecard-Anleihe und Derivaten auf die Aktie, die ab dem 18. Februar 2019 erfolgten, so Andreas W. Tilp.
Weitere Beklagte
Ende Juni 2020 hat die Kanzlei TILP die Klage auf weitere Haftungsgegner ausgeweitet: die langjährigen Wirtschaftsprüfer von Wirecard Ernst&Young (EY), den Ex-Vorstandsvorsitzenden Dr. Markus Braun, den Ex-COO Jan Marsalek und den amtierenden CFO Alexander von Knoop.
Das Finanzministerium will die Aufsicht verbessern
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, die BaFin neu zu strukturieren. Dafür soll – auf Kosten der zu kontrollierenden und der Steuerzahler natürlich – ein Aktionsplan aus 16 Maßnahmen die BaFin stärken und dadurch die Anleger besser schützen. Weiterhin dürfen BaFin Mitarbeiter seit dem Skandal keine Aktien mehr handeln.
Stand der BAFIN-Klage der Kanzlei TILP (04.12.2020)
Die Klage wurde der BaFin zugestellt. Diese hat nach mehr als 4 Monaten darauf immer noch nicht reagiert.
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Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay