Emerging-Markets-Aktien: Märkte, Performance, Perspektiven Besser Investieren

Emerging-Markets-Aktien: Märkte, Performance, Perspektiven

Zur Jahresmitte bieten Emerging-Markets-Aktien das gewohnte Bild: Der MSCI Emerging Markets hinkt deutlich dem MSCI World für Aktien aus den Industrieländern hinterher. Aber die Dinge sind nicht immer so trist, wie sie scheinen – sofern Anleger differenzieren.

Kurz vor Ende des ersten Halbjahres bieten Emerging-Markets-Aktien das fast schon gewohnte triste Bild: Der MSCI EM liegt fünf Prozentpunkte hinter dem Weltindex MSCI World, der für viele Anleger das Maß aller Dinge ist. Damit setzt sich ein langjähriger Trend fort: In den vergangenen zehn Jahren haben Aktien aus den Industrieländern Emerging-Markets Aktien den Schneid abgekauft. Das war zum großen Teil den USA-Aktien geschuldet (Lila-Linie im unteren Chart), aber selbst der DAX (blaue Linie) hat sich seit 2014 vor den MSCI Emerging Markets geschoben.

Also alles auf den MSCI World setzen und den Emerging-Markets-Aktien aus dem Portfolio werfen? Das wäre aus verschiedenen Gründen falsch. Einmal sind Emerging-Markets-Aktien aus Diversifikationsgründen relevant. Doch darüber hinaus ist die Top-down-Sicht auf Indexebene zu simpel. Ist der MSCI World kein perfekter Index, ist der MSCI Emerging Markets als Investment-Universum noch weniger empfehlenswert. Er ist aus vielen Gründen kein guter Spiegel der Schwellenländer-Märkte. Wir wollen deshalb anders vorgehen und anhand aktueller Entwicklungen in drei Punkten den besten Weg zu Emerging Markets-Aktien aufzeigen. Spoiler: Im oberen Chart ist Ihnen vielleicht die grüne Linie entgangen; sie spiegelt die Performance von Indien-Aktien wider, und die war einen Tick besser als die Rendite des MSCI World.

Zinsen, Wahlen, Wohlstand: Turbo und Killer für Emerging-Markets-Aktien

Die Wahlen in Mexiko und Indien bieten einen guten Kontrast, weil sie den großen Einfluss politischer Ereignisse auf die Märkte zeigen. Nach anfänglicher Skepsis haben Anleger den Verlust der absoluten Mehrheit der BJP mit Käufen quittiert. Beobachter haben die Vorteile der eingeschränkten Macht Narendra Modis begrüßt, auch wenn sich der indische Premier bisher durch eine erfolgreiche Reformpolitik ausgezeichnet hat. Die Checks and Balances der weltgrößten Demokratie sind intakt, und weil die zurechtgestutzte BJP-Partei dennoch ihre führende Rolle in einer Koalitionsregierung behalten wird, sind Anleger zuversichtlich, dass Capex für Infrastruktur hoch bleiben werden, die fiskalpolitische Disziplin ebensowenig nachlässt wie die Öffnung und Liberalisierung der Wirtschaft. Der MSCI India hat alleine im Juni um 5,7 Prozent zugelegt, und weil die indische Rupiah fester tendierte, lag das Plus aus Sicht von Euro-Anlegern bei gut 7,2 Prozent. Im ersten Halbjahr lag das Plus beim MSCI India bisher bei knapp 20 Prozent.

Genau andersherum verhält es sich in Mexiko. Hier haben die Wahlen der linken Morena-Koalition unter Claudia Sheinbaum eine absolute Mehrheit beschert, was auch die Möglichkeit von Verfassungsänderungen eröffnet. Sheinbaum könnte sowohl die unter Präsident López Obrador eingeleitete Aushöhlung der demokratischen Institutionen fortführen – Stichwort Politisierung der Justiz – als auch steuerfinanzierte Ausgabenprogramme auflegen. Folglich hat der Aktienmarkt in Mexiko kräftig verloren, vor allem aber hat der mexikanische Peso kräftig an Wert eingebüßt. Mit einem Minus von knapp 16 Prozent zählen mexikanische Dividendentitel zu den schwächsten Emerging-Markets-Aktien in diesem Jahr.

Die beiden Beispiele stehen für eine lange Liste und zeigen, wie stark Wohl und Wehe vom großen Makro-Bild in den jeweiligen Ländern abhängen. Emerging-Markets-Risiken sind idiosynkratischer Natur. Einerseits. Andererseits hängen Emerging Markets unverändert am Tropf der globalen Geldströme, und die werden wesentlich von der US-Notenbank beeinflusst. Das “higher for longer”-Regime bedeutet, dass die Fund Flows in Schwellenländer gedämpft bis negativ bleiben werden. Das wiederum hat zur Folge, dass die Notenbanken in den Schwellenländern ihre Geldpolitik weiter straffer halten müssen, als ihnen lieb ist. Seit der Corona-Krise müssen Schwellenländer einerseits mit für ihre Verhältnisse hohen Defiziten leben, auf der anderen Seite verharren die Finanzierungskosten auf hohem Niveau, was die sozialen Spannungen anheizt. Die Unruhen in Kenia in den vergangenen Tagen zeigen, dass viele Regierungen auf einem schmalen Grat wandeln zwischen Reformen, Verschuldung und hohen Zinsen.

Anleger, die das große Makro-Bild in ihrem Investment-Prozess nach vorne stellen, sollte daher tendenziell Länder mit soliden Finanzen und einer (relativ) guten Leistungsbilanz nach vorne stellen. Indien, Südkorea oder auch China stehen besser da als die Türkei, Ägypten, Pakistan oder Tunesien.

Value oder Growth? Klassisches Paradigma, neues Dilemma

Die klassische Lehre geht so: Hohe Bewertungen sind ein Indikator für schwache relative Renditen, niedrige Bewertungen versprechen künftig überdurchschnittliche Renditen. Es ist diese Gleichung, die Emerging-Markets-Aktien so oft attraktiv erscheinen lässt: Das KGV im MSCI Emerging Markets liegt bei 15,5 gegenüber 22 beim MSCI World. Im klassischen Fondsmarketing wird dann flugs das hohe Wirtschaftswachstum der Schwellenländer den niedrigen Bewertungen gegenübergestellt und fertig ist die Traum-Kombi für Value- und Growth-orientierte Anleger: niedrige Bewertungen plus hohes Wachstum, was will man mehr?

Wir haben bereits den Mythos kritisch diskutiert, dass hohes Wirtschaftswachstum zwingend hohe Kapitalmarktrenditen nach sich ziehe. Auch das Bewertungsparadigma erfordert eine genauere Betrachtung. Bereits die Headline-Story ist nicht überzeugend. Da China gut 27 Prozent des Gewichts im MSCI Emerging Markets ausmacht und China-Aktien derzeit – aus gutem Grund, siehe dazu weiter unten mehr – besonders günstig bewertet sind, relativiert das die Bewertungs-Story. Ohne China liegt das KGV in Emerging Markets bei 17 und ist damit deutlich höher als das KGV deutscher Aktien. Wer in Indien oder Taiwan investiert, landet bei Bewertungen, die denen des S&P 500 um nicht viel nachstehen. Einstellige KGVs finden Anleger dagegen in China, der Türkei, Kenia, Nigeria – wie übrigens auch in Griechenland, das seit der Eurokrise auf den Status eines Schwellenlands zurückgestuft wurde.

Allerdings sind viele der genannten Value-Märkte aus gutem Grund günstig: Kenia, Nigeria, Ägypten und die Türkei leiden unter politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Anleger fordern hier angemessene Risikoprämien. Fun Fact: zweijährige ägyptische Staatsanleihen rentieren aktuell mit knapp 25 Prozent. Anleger müssen aber auch aus einem anderen Grund die Bewertungen kontextualisieren: Die geopolitischen Spannungen haben sich seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine verschärft. Länder wie Russland und China stellen die aktuelle globale sicherheitspolitische Ordnung infrage. Das hat zu einem zweiten Kalten Krieg geführt, den Anleger zu spüren bekommen: Russische Aktien in den Portfolios westlicher Investoren sind wegen der Finanzmarkt-Sanktionen auf null abgewertet worden, und chinesische Aktien werden weitgehend gemieden. Anleger tun also gut daran, den neuen, alten Faktor Geopolitik in ihre Investment-Strategien zu integrieren.

Versuchen Sie es mal mit Stock-Picking

Wir hatten eingangs erwähnt, dass eine Top-down-Sicht von der Indexebene Emerging-Markets-Aktien nicht gerecht wird. Das gilt umso mehr, als Indexanbieter aus Liquiditätsgründen kleinere Länder aus dem Universum des MSCI Emerging Markets ausschließen. Anleger in EM-ETFs suchen vergeblich nach Aktien aus Vietnam, Rumänien, Argentinien, Georgien, Kasachstan oder Aktien aus den meisten arabischen Staaten. Und selbst wer bei Frontier-Market-ETFs landet, findet nur eine kleine Auswahl an liquiden Aktien vor. So liegt die durchschnittliche Marktkapitalisierung der 40 Aktien im S&P Select Frontier Index, der als Underlying für einen der wenigen Frontier-Market-ETFs am Markt dient, bei knapp sieben Milliarden Dollar. Ein guter Teil der Illiquiditätsprämie dürfte Anlegern damit verloren gehen.

Sektor-Strategien sind bei Emerging Markets ebenfalls schwierig. Sektoren ermöglichen zwar eine granulare Sicht auf die Märkte in den Schwellenländern, sind aber aus Diversifikationsgründen nicht zu empfehlen. Kapitalisierungsgewichtete Sektor-Indizes weisen hohe Klumpenrisiken auf. Wer etwa auf den Emerging IT-Sektor setzen will, landet bei einem Portfolio, das zu über 50 Prozent aus Taiwan Semiconductor und Samsung besteht. Der Communications Sektor besteht wiederum zu knapp 50 Prozent aus Tencent Holdings (Platz zwei geht an Bharti Airtel mit einem Gewicht von unter sechs Prozent). Reliance Industries und Petrobras machen wiederum 45 Prozent des MSCI Emerging Markets Energy Index aus. Und so weiter und so fort.

Daher brechen wir hier eine Lanze für aktives Management. Aktiv verwaltete Fonds haben den Vorteil, die – je nach Strategie – attraktivsten Aktien aus allen Schwellenländern auszuwählen, seien es große, liquide Titel aus den FTSE- oder MSCI-Indizes oder illiquide, kleine Aktien, die sich nicht einmal in den Frontier-Märkte-Indizes wiederfinden. Zudem unterliegen aktiv verwaltete Fonds dem Primat der Diversifikation. Die sogenannte 5/10/40-Regel stellt sicher, dass auf Einzeltitel-Ebene kein Klumpenrisiko entsteht.

Auch wenn Fans der Effizienzmarkthypothese das ungern hören: Aktiv verwaltete Fonds haben bei Schwellenländer-Investments aus den oben genannten Gründen oftmals die Nase vorn. ETFs auf Schwellenländer-Indizes überzeugen selten. Im Gegensatz zu ETFs auf den MSCI World, S&P 500 oder MSCI Europe, die oft Bestnoten bei Fonds-Ratings bekommen, haben ETFs auf Schwellenländer-Indizes bestenfalls ein durchschnittliches Rendite-Risiko-Profil.

 

 

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Dieser Beitrag erschien zuerst auf:/https://thedlf.de/emerging-markets-aktien-maerkte-performance-perspektiven/