Frieden in der Ukraine – Aktien im Hausse-Modus?

Frieden in der Ukraine Aktien Markt

Die Ankündigung der Trump-Administration, direkt mit Russland über einen Frieden in der Ukraine zu verhandeln, hat die Fantasie von Anlegern geweckt: Aktien sind im Hausse-Modus. Wer gewinnt, wenn der blutige Konflikt beendet werden sollte, wer verliert, wenn Trumps Initiative scheitert? Zwei Szenarien für Investoren.

Viele Anleger denken noch mit Grauen an das erste Quartal 2022 zurück. Die russischen Aggressoren haben mit der Invasion der Ukraine den größten Krieg in Kontinentaleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen. Mit ihr wurde die Inflation massiv beschleunigt, Emerging Markets crashten, Rohstoffpreise gingen durch die Decke. Auch Growth-Aktien gerieten in der Folge massiv unter die Räder. Der 24. Februar 2022 signalisierte Anlegern, dass die Geopolitik als neuer, alter Faktor bei globalen Investments zu beachten ist.

 

Russische Aktien schlummern in Osteuropa-Fonds

 

 

Seitdem wurde nicht nur Russland diplomatisch isoliert, russische Aktien und Anleihen wurden vielmehr auch rigoros vom globalen Finanzsystem entkoppelt. Russische Aktien in den Portfolios ausländischer Portfolios wurden über Nacht auf null abgewertet. Sie schlummern unsichtbar in den Portfolios von Fonds und ETFs. Etliche Russland- und Osteuropa Fonds wurden geschlossen – und längst nicht alle wurden nach mittleren zweistelligen Verlusten wieder geöffnet.

Jetzt, drei Jahre nach Beginn der Invasion, wird die geopolitische Landschaft Europas erneut auf den Kopf gestellt. Kommt der Frieden für die Ukraine? Die Trump-Administration hat in ihrer sehr eigenen Art für kräftigen diplomatischen Wind gesorgt. Nach einem 90-minütigen Telefonat mit dem russischen Diktator kündigte Trump an, direkt mit Putin über den Frieden in der Ukraine verhandeln zu wollen. Die Europäer und die Ukrainer scheinen außen vor zu bleiben. Schockwellen in Brüssel löste die Aussicht aus, dass die USA nicht länger der erste Unterstützer der Ukraine sein würden, sondern offenbar eine Art neutraler Vermittler. Auf der Ramstein-Konferenz kündigte der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth an, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht zur Debatte stehe, US-Soldaten nicht als Peace-Keeper in der Ukraine eingesetzt würden und ein möglicher Frieden nicht von Artikel 5 der Nato-Charta gedeckt sein werde. Egal, wie man zu dieser diplomatischen Kehrtwende steht, es gibt neue Szenarien für Aktien infolge der gestiegenen Chance auf Frieden in der Ukraine.

Welche Chancen und Risiken könnte diese neue Gemengelage geben? Wir haben zwei Szenarien identifiziert.

Bullen-Szenario: Frieden in der Ukraine und wirtschaftliche Erholung

 

 

In diesem optimistischsten Szenario rückt eine Friedensvereinbarung in greifbare Nähe, die Parteien verhandeln ernsthaft, vielleicht tritt sogar zügig eine Waffenruhe in Kraft, und die Sanktionen gegen Russland könnten absehbar gelockert werden. Das wäre ein Best-Case-Szenario für die meisten Anleger.

Energiemärkte und Rohstoffe: DAX gewinnt

 

 

Eine Waffenruhe und eine mögliche Normalisierung der Beziehungen des Westens zu Russland könnte zu einem deutlichen Rückgang der Energiepreise führen. Die Wiederaufnahme russischer Öl- und Gaslieferungen nach Europa würde die Versorgungssicherheit erhöhen und ein Wiederaufflammen der Inflation verhindern. Energieunternehmen in Europa könnten von stabilen Lieferketten profitieren, während Unternehmen mit hohem Energieverbrauch ihre Margen verbessern könnten. Das wäre der Startschuss für die Revitalisierung der deutschen Industrie – und ein Kursturbo für DAX, MDAX und Co. Am Tag nach Bekanntgabe der Trump-Initiative legte der DAX zeitweilig um 1,7 Prozent zu, bei MDAX lag das Plus in der Spitze sogar bei 1,80 Prozent.

Doch nicht nur der DAX würde profitieren. Der österreichische Aktienmarkt mit seiner Banken- und Energielastigkeit würde eine noch stärkere Erholung verbuchen können. Wien wäre wieder das weit aufgestoßene Tor zu Osteuropa. Indes könnten Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien noch weiter an Attraktivität verlieren, da viele Anleger die Notwendigkeit einer raschen Energiewende hinterfragen könnten.

Wiederaufbau der Ukraine: Rekonstruktions-Fantasien

 

 

Friedensverhandlungen könnten zu einer Neubewertung von Aktien und Anleihen der Ukraine führen. Obwohl es Berichte über ukrainische Unternehmen gibt und der Handel mit deren Aktien teilweise an der Warschauer Börse gehandelt werden, ist die Börse in Kiew geschlossen. Die Wiedereröffnung könnte auch Staatsanleihen aus der Ukraine einen Schub verleihen. Zudem erfordert der Wiederaufbau enorme Investitionen. Sollten diese durch einen Waffenstillstand angestoßen werden, könnte es zu einem Boom in etlichen Sektoren führen. Der UBS Ukraine Reconstruction Index bietet eine Übersicht über mögliche Gewinner:

  • Strabag SE: Als eines der größten europäischen Bauunternehmen könnte Strabag von umfangreichen Infrastrukturprojekten profitieren;
  • HeidelbergCement: Die steigende Nachfrage nach Baumaterialien könnte dem Zementhersteller zugutekommen;
  • Siemens Energy: Der Wiederaufbau des ukrainischen Energiesektors könnte Siemens Energy lukrative Aufträge bescheren.
  • ArcelorMittal: Als weltweit führender Stahlproduzent wäre ArcelorMittal gut positioniert, um von der steigenden Stahlnachfrage zu profitieren.
  • Caterpillar: Die Nachfrage nach Baumaschinen für den Wiederaufbau könnte Caterpillar zugutekommen.

Gewinner Emerging Markets – und Russland?

 

 

Nicht nur Industrie- und Energie-lastige Märkte wie Deutschland und Österreich würden von einem nahenden Frieden in der Ukraine profitieren. Auch Polen dürfte wegen seiner geographischen Nähe zur Ukraine zu den Gewinnern zählen. Dieser Ausblick erklärt auch, warum der MSCI Poland in den ersten sechs Wochen dieses Jahres um gut 17 Prozent (in Euro) zugelegt hat.

Länder wie Indien und China, die stark von Energieimporten abhängig sind, würden ebenfalls begünstigt.

Emerging Markets insgesamt könnten von der Aussicht auf Frieden profitieren. Die Korrektur an den Emerging Markets Börsen von 2022 ist noch nicht aufgeholt, was Raum für Aufholpotenzial bietet, auch wenn Märkte aus dem Opec-Dunstkreis nicht zu den ersten Anwärtern der Performance-Krone zählen.

Wer keine Meinung zum Energiesektor hat, könnte bei Emerging Markets Fintechs fündig werden. So hat Kaspi, ein führendes Fintech-Unternehmen aus Kasachstan, bereits positiv auf die Friedensaussichten reagiert und am Mittwoch ein Kursplus von gut sieben Prozent erzielt. Grund: Kaspi hatte vor dem Krieg eine Banklizenz in der Ukraine erworben. Kasachische Unternehmen wären auch Profiteure einer Stabilisierung in der Region. China-Aktien, im Zuge des DeepSeek-Moments ohnehin im Aufwind, könnten ebenfalls von der Deeskalation des Konflikts profitieren. Der Emerging Markets Digital Leaders, der Kaspi zu seinen Top-Werten zählt, ermöglicht einen weiteren Zugang zu digitalen Geschäftsmodellen in den Schwellenländern.

Die mögliche Neubewertung russischer Aktien in Fonds und ETFs für Osteuropa- und Russland-Aktien könnte erhebliche Auswirkungen haben. Viele dieser Aktien wurden auf null abgeschrieben, verblieben aber in den Fonds (in sogenannten Side Pockets). Eine Neubewertung könnte zu signifikanten Wertsteigerungen in diesen Fonds führen, wobei die genauen Auswirkungen von den spezifischen Bedingungen einer möglichen Sanktionsaufhebung abhängen würden. Zudem gibt es aktuell keine Übersicht darüber, ob russische Aktien noch in den Fonds stecken, oder ob diese in den vergangenen 36 Monaten außerbörslich (und mutmaßlich zu Discount-Preisen) verkauft wurden.

Bären-Szenario: Eskalation und wirtschaftliche Unsicherheit

 

Doch die Aussichten müssen nicht rosig sein. Die Initiative Trumps ist gerade einmal einen Tag alt. Im pessimistischsten Szenario erweist sich die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine als Strohfeuer, was zu einer Verschärfung der Spannungen führt. Eine Preisgabe wichtiger US-Positionen könnte Putin zu Maximalforderungen ermutigen. Diese dürften von der Ukraine abgelehnt werden. Sollten Verhandlungen unmöglich sein, könnte der Konflikt möglicherweise sogar eskalieren. Die engere Zusammenarbeit zwischen Europa und der Ukraine könnte zugleich zu einer Annäherung zwischen den USA und Russland und damit zu einem Chaos in den ohnehin volatilen transatlantischen Beziehungen führen. Die Folgen für Risiko-Assets, zumal für europäische, wären unschön.

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