Fünf Thesen zur China-Aktien-Rally: This time is different?

Ende September wurden die Märkte von der Ankündigung der chinesischen Führung überrascht, die Wirtschaft mit drastischen Maßnahmen anzukurbeln. Anleger haben euphorisch reagiert – zunächst. Fünf Thesen, warum der Umschwung für China-Aktien dieses Mal langlebiger sein könnte.

Und am Ende kam sie doch, Chinas Bazooka. Fast könnte man meinen, dass die chinesische Führung unsere Fundamentalkritik an der Politik Xi Jinpings gelesen hätte. Jahrelang hat die willkürliche Politik Xis Anleger und Verbraucher verunsichert, die Immobilienkrise wurde nicht wirksam bekämpft, und die Konfrontation mit dem Westen droht China-Tech einen zusätzlichen Schlag zu verpassen. Am 24. September wurde dann eine Zeitenwende in der Fiskal- und Geldpolitik angekündigt, um die chinesische Wirtschaft wiederzubeleben. Kernstücke der Anti-Deflationsmaßnahmen sind: Zinssenkungen, mehr Liquidität für Banken, größere Anreize, Immobilien zu kaufen und die Ankündigung eines Staatsfonds zum Kauf von Aktien. Analysten gehen nun davon aus, dass China noch dieses Jahr weitere Staatsanleihen in Höhe von 2 Milliarden RMB begeben wird, um mehr fiskalische Beinfreiheit zu haben.

Das führt zur Frage: Is this time different? Ein bekannter Kölner Vermögensverwalter stellte zu China-Aktien die These “alles nur Strohfeuer” in den Raum. Das sehe ich anders. Warum, werde ich in fünf Thesen erläutern.

Konzentrierte und koordinierte Intervention

Immer wieder hat die chinesische Führung mit Reformen versucht, die Wirtschaft anzukurbeln. Doch es waren eher Reförmchen, die bei Experten, aber offenbar auch innerhalb der KPC, umstritten waren. So wurde erst im Sommer bei einem Spitzentreffen der KP – es war, genauer gesagt, das dritte Plenum des 20. Zentralkomitees der Partei Xi Jinpings – ein Bündel von 300 Reformvorschlägen verabschiedet, unter anderem die Förderung von Haushaltsdienstleistungen, Tourismus sowie die Erschließung neuer Wirtschaftsbereiche, etwa Lieferdienste per Drohne und fahrerlose Taxis.

Die Crux an der Sache: Diese Pläne zur Stärkung der Binnenwirtschaft sind Teil des neuen Fünfjahrplans, und der wird innerhalb von, nun ja, fünf Jahren umgesetzt. Selbst Xi soll laut Medienberichten nicht glücklich gewesen sein. Als dann die Meldung über sinkende Exporte im Sommer die Runde machte, dürfte dem Politbüro in Beijing gedämmert haben, dass die Schmerzgrenze erreicht ist. Was folgte, war wohl die bisher konzentrierteste und am besten koordinierte Intervention des chinesischen Regierungsapparats. Die Pressekonferenz der PBOC am 24. September wurde gemeinsam mit dem Finanzstabilitätsbüro und der Wertpapierregulierungsbehörde abgehalten.

Am 25. September verabschiedeten das Zentralkomitee und der Staatsrat in einer gemeinsamen Erklärung Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Am 26. September traf sich das Politbüro zu einer außerplanmäßigen Sitzung und flankierte die Zentralbankbeschlüsse mit zahlreichen fiskalischen Ankündigungen. Gleich nach der “Golden Week” hielt die Nationale Reform- und Entwicklungskommission eine Pressekonferenz ab (deren Wirkung für China-Aktien allerdings eher kontraproduktiv war). Für diesen Samstag hat das Finanzministerium unter Führung von Finanzminister Lan Fo’an zu einer weiteren Pressekonferenz eingeladen.

Maßnahmen haben eine neue Qualität

Das Maßnahmenbündel, das Ende September verkündet wurde, geht weit über die inkrementellen Beschlüsse der Vergangenheit hinaus und umfasst Monetär- und Fiskalpolitik. Monetär hat die Zentralbank eine Kürzung der Mindestreserven um 50 Basispunkte angekündigt, was es den Banken ermöglicht, weniger Bargeld vorhalten zu müssen, das sie dann in die Kreditvergabe stecken können. Es wurde angedeutet, dass ein weiterer Schnitt um 25 bis 50 Basispunkte bis Ende des Jahres möglich sei.

In der Fiskalpolitik wurden Programme verabschiedet, um den lokalen Konsum zu fördern. Es werden einmalige Bargeldzuschüsse an Einwohner verteilt, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Die Regierung hat eine Sonderanleihe in Höhe von 1 Billion Yuan für ein Eintauschprogramm und Transferzahlungen an Haushalte ausgegeben. Eine weitere Sonderanleihe in Höhe von 1 Billion Yuan wurde für ein Programm zum Umtausch von Schulden lokaler Regierungen emittiert. Zusätzlich wurden 1 Billion Yuan als Kapitalspritze in sechs staatseigene Banken injiziert.

Einige der Stützungsmaßnahmen für den Immobiliensektor knüpfen an die Schritte aus der Vergangenheit an. Für den Erwerb von Zweitimmobilien wurde die Mindestanzahlung um 10 Prozentpunkte auf 15 Prozent gesenkt. Die Initiative für bezahlbaren Wohnraum wurde ausgeweitet, indem der Finanzierungsanteil von 60 auf 100 Prozent erhöht wurde, was einem Volumen von 300 Milliarden Yuan entspricht. Bestehende Hypothekenzinsen wurden im Durchschnitt um 50 Basispunkte gesenkt, was die jährlichen Zinsausgaben um 150 Milliarden Yuan reduziert. Banken erhielten die Erlaubnis, Unternehmen beim Rückkauf von Landreserven zu unterstützen. Zusätzlich wurden die Kaufbeschränkungen in A-Lagen gelockert, um den Immobilienmarkt in den Ballungsräumen zu beleben.

Von Angebots- zur Nachfrage-Stimuli: Eingriff in den chinesischen Aktienmarkt

Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass die chinesische Zentralbank Maßnahmen verkündet, deren einziges Ziel es ist, die Kurse chinesischer Aktien nach oben zu treiben. Nichts anderes hat es mit der Swap-Fazilität in Höhe von 500 Milliarden RMB auf sich, die Brokern, Fondsgesellschaften und Versicherern erlaubt, Wertpapiere als Sicherheit bei der Zentralbank zu hinterlegen, um frisches Kapital zu erhalten, das exklusiv zum Erwerb weiterer Wertpapiere dient. Zudem wurde ein Programm in Höhe von 300 Milliarden RMB verabschiedet, das gelisteten Unternehmen erlaubt, Geld für den Rückkauf ihrer Aktien zu leihen.

Chinas Regierung hat erkannt, wie wichtig stabile Aktienkurse für die Stimmung der Konsumenten und der Wirtschaft sind. Eine Erkenntnis, für die Japans Zentralbank rund 30 Jahre gebraucht hat.

Shift in der Rhetorik

Zentralbankchef Pan Gongsheng machte klar, dass das Arsenal an Liquidität für Interventionen quasi unendlich groß sei. Wenn die 500 Milliarden Swap-Fazilität nicht ausreichen, “dann erwäge man weitere 500 Milliarden und danach weitere 500 Milliarden”. Schnell haben die Anleger das als “What-ever-it-takes-Moment” des PBOC interpretiert. Bemerkenswert war auch die Ankündigung, dass weitere Zinssenkungen bereits dieses Jahr folgen würden. Auch das Politbüro überraschte mit bemerkenswerten Aussagen. Zum ersten Mal machte Xi Jinpings Regierung klar, dass man “den Preisverfall bei Immobilien stoppen” werde. Der Markt jubelte über die Absicht, Fragen über das “Wie” wurden dann erst nach der “Golden Week” aufgeworfen.

Die Fiskal-Bazooka kommt

Die Fiskal-Bazooka kommt. Ob der Staat nun diesen Monat den Umfang von 2 Billionen, 4 Billionen oder sogar 10 Billionen RMB verkünden wird, ist noch unklar. Das Dilemma ist aber jetzt schon, dass die Erwartungen der Realität enteilen können, wenn nur Zahlen präsentiert und nicht nachhaltige strukturelle Reformen angekündigt werden. Die ersten Schritte sind allerdings glaubwürdig genug gewesen, um etliche Investoren zu überzeugen – und uns vorsichtig optimistisch zu stimmen.

Fazit: Wie in China-Aktien unter Unsicherheit investieren?

Aufmerksame Leser unserer Blog-Beiträge werden uns nicht als Fans von Xi Jinping identifiziert haben, und wir sind es nach wie vor nicht. Erst vor wenigen Wochen haben wir die chinesische Führung massiv kritisiert und eine Änderung ihrer Politik als Voraussetzung für eine andere Sicht auf China-Aktien bezeichnet. An der Frage der Nachhaltigkeit der neuen Politik seit dem 24. September scheiden sich die Geister: Die Skeptiker wollen nur ein Strohfeuer ausgemacht haben, wir sind der Meinung, dass es sich um eine qualitative Änderung handelt. China kann nur mit den Kapitalmärkten, nicht gegen sie, ihre wirtschaftlichen Ziele erreichen. Um das Momentum aufrechtzuerhalten, muss jetzt kontinuierlich monetär und fiskalisch stimuliert werden, und zwar mit Schritten, die idealerweise die Erwartungen der Anleger übertreffen.

Das bringt mich zur Frage nach der Art des China-Exposures. Jetzt “all in” zu gehen in China-Fonds oder ETFs ist für die wenigsten Anleger geeignet. Allerdings dürften die meisten Anlegerportfolios in Deutschland eine höhere Emerging-Markets-Aktienquote vertragen. Über die Jahre ist das Exposure zu den USA immer stärker gewachsen und das in Emerging Markets immer stärker geschrumpft. Das sollte mit breit gestreuten Emering Markets Fonds adressiert werden, in denen China-Aktien ein fester Bestandteil sind.

 

Disclaimer

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Dieser Beitrag wurde zuerst auf der Internetseite thedlf.de unter https://thedlf.de/funf-thesen-zur-china-aktien-rally-this-time-is-different/  veröffentlicht.