Topmanager – Die Schaukel zwischen Topgehalt und Sündenbock

Seit kurzem wird es vor dem Landgericht München für 4 Audi Topmanager, darunter Ex-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler, ernst. Sie sind Beklagte im Prozess rund um den Dieselskandal und müssen sich für die Manipulation von Millionen Dieselmotoren verantworten. Aber auch die Verfahren in Sachen Cum-Ex, Wirecard und co. machen deutlich, dass die höchsten Führungskräfte von Großkonzernen immer häufiger auf der Anklagebank gehören/sitzen. Die deutsche Justiz befindet sich in ihrer Rechtsprechung und Gangart im Bezug auf die Wirtschaft und ihre Unternehmensführung derzeit im Wandel.

Markus Braun (Ex-Vorstandschef Wirecard), Martin Winterkorn (Ex-Vorstandsvorsitzender VW) und Rupert Stadler (Ex-Vorstandsvorsitzender der VW Tochtergesellschaft Audi) und einige weitere deutsche Top-Führungskräfte teilen ein schweres Schicksal. Sie verdienen in ihren Vorstandspositionen zwischen 3,5 und 30 Mio. Euro, pro Jahr. Ein üppiges Gehalt, von dem die meisten nicht zu träumen wagen und wahrscheinlich auch gar nicht auszugeben wüssten. Aber mit viel Geld kommt eben auch viel Verantwortung, wie die deutschen DAX Spitzenverdiener nun vermehrt zu spüren bekommen. In den vergangenen Jahren haben die Strafverfahren, die sich unmittelbar gegen die Führungskräfte von Konzernen richten, deutlich zugenommen. In den oben genannten Fällen auch zu Recht, wie wir finden. 

Zukünftig könnten jedoch auch immer mehr anständige Unternehmen (auch mittelständische) und deren Führung, unverschuldet von dieser negativen Tendenz gegenüber der Wirtschaft durch die Justiz betroffen werden. Immer wieder müssen sich Vorstände das Fehlverhalten der Mitarbeiter zurechnen lassen. In umfangreichen Verhörungen und Zeugenvernehmungen überprüfen die Strafrichter inwiefern Führungskräfte über das Handeln der Mitarbeiter Kenntnis hatten oder hätten haben müssen. Kernproblem ist dabei das deutsche Wirtschaftsstrafrecht und die Stimmen in der Wirtschaft, die eine Reform verlangen, werden lauter. Derzeit können aufgrund der deutschen Gesellschaftsstruktur nur Manager oder Mitarbeiter strafrechtlich sanktioniert werden. Der Diesel-Betrugsskandal hat diese Systematik in Frage gestellt. Dass ein BWL Manager nicht dazu in der Lage ist, eine höchst komplexe Software zur Manipulation der Abgaswerte bei Fahrzeugen selbst zu coden und umzusetzen, ist selbstverständlich. Es ist auch fraglich, inwiefern er überhaupt in der Lage wäre die Materie zu erfassen, wenn ihm der Softwaretechniker die Vorgehensweise des Betrugs erklären würde. Aufgrund seiner Position ist er jedoch angreifbar, denn wer außer die Unternehmensführung selbst soll für den Verkauf der Fahrzeuge mit Schummelsoftware verantwortlich gemacht werden? Bei dem Softwaretechniker, dessen Gehalt wohl weniger als ein Prozent als das des Managers beträgt, können die Millionenschäden auch nicht kompensiert werden. Ziel ist es daher, dass nicht mehr nur einzelne, handelnde Personen, sondern auch Unternehmen selbst strafrechtlich belangt werden. In den Vereinigten Staaten wird die Sanktion von kriminellen Unternehmen seit Jahrzehnten praktiziert und empfindliche Geldbußen verhängt. In Zukunft sollen den Unternehmen bei Delikten wie Betrug, Korruption oder Umweltdelikten Bußgelder von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes drohen. Diese enormen Bußgelder kennt man schon aus dem Wettbewerbsrecht. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht von der SPD ist davon überzeugt, dass hohe Geldbußen Unternehmen künftig wirksam von Straftaten abhalten könnte. 

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung ist die Reform des Unternehmensstrafrechts festgelegt. Durch die erneute Aktualisierung und Veröffentlichung des Entwurfs vom 16. Juni 2020 wird deutlich, dass in nicht allzu ferner Zeit mit dem Erlass eines entsprechenden Gesetzes gerechnet werden kann.  Ob sich die Reform jedoch auch auf die scharfe Gangart der Staatsanwaltschaften und Strafurteile gegenüber den Managern auswirkt, bleibt abzuwarten. Die jüngste Entwicklung lässt jedoch befürchten, dass Staatsanwälte neben einer Klage gegen das Unternehmen selbst auch weiterhin die Führungskräfte in die Verantwortung ziehen und stets mit einem (wahrscheinlich oft) unbegründeten Verdacht belasten werden. Die Auswirkung dieser oppressiven Entwicklung wird für die Unternehmensführung nicht unerheblich sein. Führungskräfte werden dazu gezwungen, ihren Führungsstil entsprechend defensiv und so transparent wie nötig aufzuziehen und interne Compliance-Management-Systeme neu zu bewerten und anzupassen.

So richtig und wünschenswert es ist, die Drahtzieher der Skandale um Cumex, Dieselbetrug und Wirecard zur Rechenschaft zu ziehen, so kontraproduktiv wäre eine Zurechnung jedes Fehlverhaltens von  Mitarbeitern für Unternehmen oder Führungskräfte – ist doch heute schon die Selbstabsicherung um jeden Preis in Konzernen (vor allem aber Behörden) schon viel zu weit verbreitet. Eine ausgewogene Gesetzesvorlage wäre hier also gefordert – leider nicht die Spezialität der SPD Justizministerin. 

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